Abriss in Emden: Mieter in Ligariusstraße sauer: "Das ist keine Genossenschaft mehr"
Source: NWZ Online
Emden - Langsam läuft den Mietern die Zeit davon, und schnell steigt die Frustration bei Kirsten Bremehr, Andreas Oldermann und den weiteren Mietern der vom Abriss bedrohten Häuser 12 bis 16 in der Emder Ligariusstraße. Bis zum 30. Juni 2024 sollen sie ihre Wohnungen verlassen haben. Im September 2023 haben die elf Mietparteien der gesamt 18 Wohnungen in den drei Häusern ihre Kündigungen bekommen. Dass die Mieter nun zusätzlich zu allen anderen Interessierten auf dem schwierigen Emder Wohnungsmarkt um den knappen Wohnraum in der Stadt buhlen müssen, ist das eine Ärgernis. Noch ärgerlicher aus Sicht der Mieter aber ist das Verhalten des Vermieters, denn die Beamten-, Bau- und Wohnungsgenossenschaft reagiere überhaupt nicht auf die Mieter. Auch diese Redaktion stößt bei der Genossenschaft wiederholt auf Schweigen.
"Das ist doch keine Genossenschaft mehr", ärgert sich Andreas Oldermann. Seit Kindesbeinen, genauer gesagt seit 57 Jahren, kenne er die drei Häuser in der Ligariusstraße, insbesondere die mit ihrer neo-maurischen Fassade sehr auffälligen Gebäude Nummer 12 und 16. "Schon mein Großvater hat hier gelebt." Nun soll die mehr als 100 Jahre alte Geschichte der drei Gebäude zugunsten eines modernen Neubaus enden. Er selber bewohnt eine Wohnung im marodesten der drei Gebäude, der Nummer 12. Das Gebäude ist deutlich in Richtung Garten versackt, sodass eine Schräglage entstanden ist. Im Hausflur und in seiner Wohnung sind Risse in den Wänden zu sehen. "Das sind aber auch die größten Probleme", sagt er. Wichtigere Aspekte wie die Heizung, die Strom- und Wasserversorgung seien alle einwandfrei, auch Schimmel gibt es nicht, der Keller ist trocken. Aspekte, die man nicht über jedes Mehrfamilienhaus in der Seehafenstadt so sagen kann. "Das sind doch keine unzumutbaren Zustände", sagt er. Und dass es diese Risse und Co. gebe, sei im Wesentlichen auf einen jahrzehntelangen Sanierungsstau zurückzuführen. "Die Haustür wurde als Letztes ausgetauscht, und das war vor zehn Jahren."
Solche Probleme kennt Kirsten Bremehr nicht. Bremehr wohnt mit ihrem Mann in einer 77 Quadratmeter großen Wohnung in Hausnummer 16. Zum Dezember 2022 unterschrieben sie den Mietvertrag, zum Sommer 2023 zogen sie aus Hamburg nach Emden. In der Zwischenzeit habe der Beamtenbau die Wohnung vorbildlich renoviert - "und wenige Monate später hatten wir die Kündigung im Postkasten." Seitdem bildet Bremehr die Sperrspitze der Anwohnerfront, die sich gegen den Abriss wehrt. Mit einer Online-Petition suchen sie seit Mitte Dezember Verbündete. Knapp 1600 Unterschriften gibt es inzwischen, die Zielmarke liegt bei 2500. Doch, was nützt die virtuelle Unterschrift, wenn kein Entscheidungsträger davon Notiz nimmt?
"Wir fühlen uns alleingelassen", klagt Bremehr, die bis September 2023 nur lobende Worte über die Genossenschaft verloren hätte. "Wir fühlten uns hier von Anfang an wohl und sicher."
Auch die Heizkosten hielten sich im Rahmen. Der hohe Aufwand einer energetischen Sanierung ist einer der Gründe, die der Beamtenbau als Argument für den Neubau anführt. "Wir zahlen etwa 180 Euro für Heizung und Warmwasser", sagt Bremehr. Und der Abschlag sei in diesem Jahr aufgrund der unklaren Entwicklung des Gaspreises bewusst hoch angesetzt worden.
Zusammen mit den sieben Euro pro Quadratmeter Kaltmiete ergeben sich für Kaltmiete und Heizkosten ein Monatsaufwand von 719 Euro. Jetzt überlegen sie, eine andere Wohnung zu mieten oder zu kaufen. Für andere wird es schwieriger. "Hier wohnen auch Menschen, die wenig Geld haben. Wo sollen die denn hin?"