Stay on this page and when the timer ends, click 'Continue' to proceed.

Continue in 17 seconds

Kaddi kostet: Gerichte wie sonntags bei Oma in der Rotkrautschänke

Kaddi kostet: Gerichte wie sonntags bei Oma in der Rotkrautschänke

Source: DNN - Dresdner Neueste Nachrichten
Author: Kaddi Cutz

Dresden. Kennen Sie das Sams? Bekanntermaßen hege ich eine gewisse Affinität zu Kinder- und Jugendbüchern. Die mehrbändige Reihe über den von Paul Maar erfundenen, wunschbepunkteten und sehr borstigen Rotschopf mit Rüsselnase, der nur erscheint, wenn bestimmte Ereignisse innerhalb einer Woche auftreten, die in direktem phonetischen Zusammenhang zum jeweiligen Wochentag stehen, haben mir stets besondere Freude bereitet.

Mein bester Freund hingegen darf zwar an ausnahmslos jedem Wochentag immer den Status einer Lieblingsbegleitung für sich beanspruchen, bringt jedoch wenig Verständnis dafür auf, dass ich gern Eigennamen für Lokalitäten erfinde, deren eigentlichen Namen ich mir aus kosmischen Gründen nicht gut einprägen kann. So stand das Gasthaus zum Hochland schon seit einer ganzen Weile auf der Testliste, bekannter ist das Lokal in Gönnsdorf jedoch unter dem Namen "Rotkrautschänke".

Einfacher zu merken war das für mich allerdings auch nicht, weswegen ich als Reminiszenz an Herrn Taschenbiers Vermieterin und sehr zum Missfallen der Begleitung behelfsmäßig "Frau Rotkohl" ins Spiel brachte. Namen sind aber bekanntlich ohnehin nur Schall und Rauch, immerhin nutzten wir die Autofahrt in das nicht eben zentral gelegene Restaurant, um uns über die Historie desselben zu informieren.

Die ist durchaus spannend, denn das Dorfgasthaus an der Straße nach Pappritz war im 2. Weltkrieg als Funkstation der Wehrmacht errichtet worden und befand sich in keinem guten Zustand, als es Ende 1960 als kombiniertes Gasthaus und Kulturzentrum neu eröffnet wurde. Auf dem Feld gegenüber wuchs bereits zu DDR-Zeiten Rotkohl, der Gerüchten zufolge auf nicht immer legalem Wege den Weg in die Küche des Gasthauses fand. Auch hat sich der alkoholgenussinduzierte Kohldiebstahl bei so manchem Gast wohl zu einem Volkssport entwickelt.

Im Lokal überkommt uns direkt das Gefühl, mitten in Omas Wohnzimmer gelandet zu sein. Dieser Eindruck wird nicht nur von der Einrichtung befeuert, auch das Publikum fügt sich hervorragend ins Gesamtbild ein. Das klingt weniger nett, als es gemeint ist: Tatsächlich passt hier vieles zusammen, was sich eher subtil und im Hintergrund zu einem großen Ganzen zusammenfügt.

So wie etwa das kleine Schildchen mit einer zeternden Comic-Gans, das auf die Möglichkeit hinweist, hausgemachtes Gänsefett (4 Euro/Glas plus 0,50 Euro Pfand) zum Mitnehmen zu erwerben. Im Erker spielt eine Herrenrunde Karten, der Gastraum ist voll besetzt. Wir fühlen uns wohl, bestellen zunächst je ein alkoholfreies Büble vom Fass (0,5 Liter für 4,50 Euro). Dabei erfahren wir, dass die drei Tagesgerichte allesamt schon aus sind.

Wir müssen uns also mit der Standard-Karte behelfen, die sich ausgesprochen klassisch präsentiert. Die Vorspeisensektion wartet mit Soljanka (5,50 Euro), Tagessuppe (5 Euro), frittierten Kartoffelecken nebst Dip (6,90 Euro), Würzfleisch (5,90 Euro) und verschiedenen Salaten (ab 5,90 Euro) auf. Die Hauptspeisen ziehen mit "raffiniertem Bratenbrot" (12,90 Euro), Spirelli mit Gulasch und Käse und Gulasch mit Apfelrotkohl und Klößen (12,50 Euro/10 Euro als Seniorenportion) nach. Auch Spiegeleier mit Bratkartoffeln und Salat (11 Euro) klingen nach einfacher und guter Hausmannskost.

Weiter geht's dann mit einer ganzen Batterie von Fleischgerichten, vom Schnitzel mit Erbsen, Pommes und Bratensoße (16,90 Euro/13,90 Euro) über hausgemachtes Cordon Bleu mit Erbsen und Kroketten (18,90 Euro), Rumpsteak mit Bratkartoffeln und Zwiebeln (22,50 Euro) bis zum Hähnchenbrustfilet mit Brokkoli und Butternudeln (17,90 Euro/14,30 Euro) ist alles dabei, gefolgt von diversen Braten und einigen Fischgerichten. Auch vegetarische und sogar vegane Gerichte sind im Angebot, es gibt Käse- und Gemüseschnitzel (16,90/16,50 Euro) mit Beilagen.

Schnell sind wir uns einig, dass für uns hier eigentlich nur Braten infrage kommen kann, jedoch haben wir durchaus Mühe, uns am Freitagabend zwischen all den "Sonntagsgerichten" zu entscheiden. Also machen wir das, was wir in so einer Situation immer machen und bestellen zunächst eine gemeinsame Vorspeise.

Wir starten mit einer Portion Würzfleisch und einem großen Salat mit Schafskäse (13,90 Euro). Mit einer Mischung aus Amüsement und Verwunderung nimmt unser Servicemitarbeiter zur Kenntnis, dass wir tatsächlich dann auch noch jeweils einen Hauptgang bestellen wollen. Angesichts des riesigen Salattellers, der uns kurz darauf mit zwei separaten Vorspeisentellern erreicht, beeilen wir uns dann aber doch mit der Entscheidungsfindung. Die wird durch die allesamt gutaussehenden Teller, die an uns vorbei an die Nachbartische wandern, nicht unbedingt erleichtert.

Am Ende verlieren Roulade (18,50 Euro) und Sauerbraten (16,90 Euro/13,50 Euro) gegen den Zwiebelbraten mit grünen Bohnen (15,90 Euro/12,70 Euro) bei der Begleitung und den Rehbraten mit Rahmsoße und gebackener Preiselbeer-Birne (22,50 Euro) bei mir. Immerhin: Rotkohl und Klöße gibt's fast überall dazu.

Mit großem Appetit widmen wir uns dem Salat. Hier fällt uns sofort positiv auf, dass die oft unvermeidliche Balsamicoreduktion hier lediglich als Dekoelement zum Einsatz kam. Spiralförmig ziert sie den Tellerrand und kann von dort aus nach Geschmack in den Salat gemengt werden. Eine sehr geschickte Lösung, wie wir finden, hat uns allzu großzügig verteilter Balsamicoessig doch schon manches Mal das Salaterlebnis vergrätzt.

Auch sonst gefällt uns dieses Arrangement gut: Alle Zutaten sind frisch und knackig, der Schafskäse wurde großflächig fein über den Salat geraspelt, dekoriert wurde mit halben Radieschenscheiben und roter Bete, geschmacklich macht das durchaus alles Laune. So auch das Würzfleisch, das unter goldgelber Käsekruste seinem Namen alle Ehre macht: Würzig, cremig und in der nicht eben riesigen Portion für uns auch als geteilte Vorspeise völlig ausreichend.

Gut angesättigt nehmen wir wenig später unsere Hauptgänge entgegen. Beide Teller sind prall gefüllt, die Bohnen der Begleitung leuchten in frischem Grün, unter Soße und Zwiebeln versteckt sich eine ordentliche Portion Fleisch. Auch auf meinem Teller muss ich den Rehbraten nicht lange suchen, drei große Scheiben teilen sich den Platz mit einer ordentlichen Portion Rotkohl und zwei Kartoffelklößen. Dekoriert wurde jeweils mit einer Cockatailtomate und einem kleinen Sträußchen krauser Petersilie - finden wir ganz putzig.

Geschmacklich begeistern uns beide Gerichte: Das Reh ist toll gegart, von merklich guter Qualität und super zart, die Soße nicht übermäßig abgebunden und geschmacklich rund. Rotkohl und Klöße könnten einen Schnuff wärmer sein, letztere sind okay, hauen uns aber nicht vom Hocker. Dafür kann der Rotkohl punkten: Nicht zu weich und mit einem deutlichen, aber nicht zu dominanten Apfelaroma macht dieser einen guten Job als Aushängeschild.

Lesen Sie auch

Nicht unbedingt gebraucht hätte es für mich die Birne im Backteig nebst Preiselbeeren, kann man aber schon mal machen. Die Bohnen zum Zwiebelbraten hingegen haben noch Biss und dank Zugabe von Butter zudem einen tollen Glanz und ein feines Aroma. Das magere Fleisch zergeht auf der Zunge und harmoniert toll mit der Süße der Zwiebeln und der aromatischen und sämigen Soße.

Weil ich die Portion beim besten Willen nicht schaffe, nimmt sich die Begleitung des restlichen Rehs an, hat aber auch schon deutlich zu kämpfen. Obwohl der Service-Mitarbeiter uns mit einem "Ich-habs-euch-ja-gesagt"-Gesicht schmunzelnd die immerhin fast bewältigten Teller abnimmt, versucht er uns noch zu einem Nachtisch zu überreden.

Das gelingt ihm jedoch nicht, denn sowohl Eierkuchen mit Apfelmus, Sahne und Fruchtsoße (9 Euro) als auch Palatschinken mit Eis, Sahne und Schokoladensoße (10,50 Euro) klingen nach einer für uns heute nicht mehr zu meisternden Herausforderung. So belassen wir es bei einem Espresso (2,60 Euro), der gerade noch so reinpasst.

Wir sind begeistert von dieser Gaststätte mit ihrem ganz eigenen Charme, die sofort das Gefühl vom Sonntagsessen bei der Lieblingsoma aufkommen lässt und auch mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis punkten kann. Wer Lust auf einen guten Braten, einen solchen aber nicht selbst in der Röhre hat, wird die Fahrt ins Schönfelder Hochland sicher nicht bereuen.