Finanzierung der Dresdner Verkehrsbetriebe: "Wir verspielen da Möglichkeiten"
Source: DNN - Dresdner Neueste Nachrichten
Author: Christoph Pengel
Dresden. Der öffentliche Nahverkehr ist ein Verlustgeschäft. Auch in Dresden. Die DVB sind auf Zuschüsse angewiesen, wenn sie ihr Angebot halten und ausbauen wollen. Finanziert wurde das DVB-Minus bislang über die Technischen Werke Dresden (TWD), zu denen unter anderem die Sachsen Energie als Gewinnbringer gehört. Doch dieser Mechanismus ist längst an Grenzen gestoßen.
Für die Unterstützung der DVB können die TWD höchstens 55 Millionen Euro im Jahr aufbringen. Zugleich rechnen die DVB mit immer höheren Verlusten: 78 Millionen im Jahr 2025. Während sich die Stadt früher aus der Finanzierung der DVB heraushalten konnte, muss sie nun einspringen und die Differenz begleichen. Im nächsten Jahr wären das 23 Millionen.
Neu ist das Problem nicht. Deshalb hatte die Stadt vor zwei Jahren das Beratungsunternehmen Probst & Consorten beauftragt, ein Gutachten zu erarbeiten. Herausgekommen sind Vorschläge für Maßnahmen, die Geld in den Dresdner ÖPNV spülen könnten.
Die Gutachter haben unter anderem berechnet, wie viele Millionen es Dresden jeweils bringen würde, wenn die DVB Busse und Bahnen beschleunigt, wenn man Mieter- und Gästetickets einführt oder die Gebühren fürs Anwohnerparken deutlich erhöht. Während Dresden einige Ideen umgesetzt hat, wurden andere blockiert, und nach zwei Jahren stellt sich die Frage: Wie aktuell ist das Gutachten eigentlich noch?
Fragt man Gerd Probst, Verkehrswissenschaftler und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens, macht er zuerst auf die geplanten Neuansiedlungen im Norden aufmerksam. Dass sich der Halbleiterriese TSMC in Dresden niederlassen würde, stand damals noch nicht fest und floss daher nicht in das Gutachten ein. Für Probst bedeutet das nun: Das Angebot an Bussen und Bahnen müsste noch viel stärker ausgebaut werden, als er ursprünglich angenommen hatte.
Weil die Stadt wächst, müsse man dafür sorgen, dass möglichst viele Dresdner auf den ÖPNV oder Räder umsteigen, so Probst. "Weil wir gar nicht den Platz haben, sie alle durch die Stadt oder über die Autobahn zu schleusen. Die Staus an den Zubringern würden so lang werden, dass alles zusammenbricht."
Als das Gutachten geschrieben wurde, war auch noch nicht klar, ob das Deutschlandticket für 49 Euro kommt. Nun war die Nachfrage nach der Einführung einerseits groß. Andererseits begrenzt das Deutschlandticket die Einnahmemöglichkeiten durch Ticketverkäufe an den DVB-Automaten.
Aus Sicht von Probst spricht das Deutschlandticket aber nicht gegen die im Gutachten vorgeschlagene Maßnahme eines obligatorischen ÖPNV-Tickets, das Gäste bei Übernachtungen in Dresden zahlen müssten. Denn immerhin 80 Prozent aller Deutschen hätten noch kein Deutschlandticket. Und laut Probst kommen 20 Prozent aller Touristen in Dresden aus dem Ausland. Rostock hat so ein Gästeticket bereits eingeführt.
Wobei das Gästeticket nur ein kleines Instrument in Probsts Werkzeugkasten ist - mit einem Potenzial von jährlich rund einer Million Euro in Dresden. Deutlich mehr Geld ließe sich laut Gutachten durch die Beschleunigung des ÖPNV herausholen. Die Idee: Fahren Busse und Bahnen schneller, müssen weniger Fahrzeuge eingesetzt werden. Dadurch sinken die Betriebskosten. Mehr als sieben Millionen Euro könnten so für die Finanzierung des ÖPNV herausspringen, hieß es.
Gerd Probst betont aber, dass die Rechnung nur dann aufgeht, wenn alle Maßnahmen zur Beschleunigung umgesetzt und aufeinander abgestimmt wären. Bislang ist das nicht der Fall. Warum das so ist, hat die Stadt auf DNN-Anfrage noch nicht beantwortet. Es ist aber kein Geheimnis, dass in Dresden um jeden noch so kleinen Schritt zur ÖPNV-Beschleunigung gestritten wird. Kritiker befürchten, dass Autofahrer zugunsten von Bussen und Bahnen zurückstecken müssen.
Dort, wo die Maßnahmen schon greifen, haben sich die Befürchtungen aber nicht bestätigt. Der Verkehr brach zum Beispiel nicht zusammen, als die Straßenbahngleise auf der Tolkewitzer Straße für Autofahrer gesperrt wurden. In den nächsten Wochen startet ein neuer Versuch auf dem Flügelweg. Bussen der Linien 70 und 80 wird eine Spur eingeräumt, damit sie sich nicht mehr im Stau anstellen müssen.
Ähnlich heikel wie das Thema Beschleunigung ist die Diskussion um Parkgebühren. Würde die Stadt die Gebühren fürs Parken anheben, vor allem für die Anwohnerausweise, ergäbe sich laut Gutachten ein Potenzial von 12 Millionen Euro. Doch im Stadtrat gibt es derzeit keine Mehrheit für diese Pläne. Ende 2022 hatte man lediglich neue Stellen im Gemeindlichen Vollzugsdienst beschlossen, um den Druck auf Falschparker zu erhöhen.
"Wir verspielen da Möglichkeiten", sagt Probst. In österreichischen Städten, etwa Innsbruck, sei es selbstverständlich, dass Menschen mehr als nur eine Verwaltungsgebühr zahlen, wenn sie mit parkenden Autos Platz beanspruchen. Auch in Freiburg werden bereits 200 Euro für Anwohner-Parkausweise fällig. In Dresden beträgt die Gebühr noch immer 30 Euro pro Jahr.
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Langfristig, warnt Probst, könnte das Zögern der Dresdner auf Kürzungen im ÖPNV hinauslaufen, so wie jüngst in Osnabrück, wo Buslinien in die Außenbezirke gestrichen wurden. Noch hätten die DVB ein "super Angebot", seien in der Regel schnell und zuverlässig. "Da steht viel auf dem Spiel", sagt Probst.