Cannabisclubs in Dresden: "Wir müssen das ordentlich machen"
Source: DNN - Dresdner Neueste Nachrichten
Author: Christoph Pengel
Dresden. Es gibt Menschen, für die ist Cannabis die Hölle. Riechen sie Gras, wird ihnen übel, sie denken an Berichte über Psychosen und die Gefahr, dass ihre Kinder der Sucht verfallen. Andere fühlen sich dem Himmel ein bisschen näher, wenn sie am Joint ziehen. Und dann gibt es Menschen wie Ramon Paulick. Er kann Geschichten aus beiden Sphären, aus Himmel und Hölle, erzählen.
Paulick war 14, 15 Jahre alt, als er mit dem Kiffen anfing. Er hat Abstürze erlebt. Und weil er selbst Hanf anbaute, bekam er Ärger mit der Polizei. Aber Cannabis, da ist er sicher, habe auch seine Rückenschmerzen, seine ADHS-Symptome und seine Schlafstörungen gelindert. Heute ist Ramon Paulick 22 Jahre alt, er konsumiert täglich - und will nun einen der ersten Cannabis-Clubs in Dresden gründen. "Sobald wir die Lizenz haben, geht's dann auch los", sagt er.
Bis sein Verein die ersten Pflanzen zum Blühen bringt, dürften aber noch ein paar Monate vergehen, mindestens. Zwar ist das neue Gesetz beschlossen, seit April ist der Konsum von Cannabis erlaubt. Doch wie das neue Regelwerk in die Praxis umgesetzt wird, ist in weiten Teilen offen.
Nur ein Beispiel: Die Lizenz, von der Paulick spricht, bezieht sich auf den Cannabisanbau und soll ab Juli von den Landesbehörden erteilt werden. Welche Behörde in Sachsen dafür verantwortlich ist, steht laut Sozialministerium aber noch immer nicht fest.
Immerhin ist Paulick nicht allein, er hat sich mit anderen Gründern in und um Dresden vernetzt. Etwa zehn Initiativen dürften es derzeit sein, sagt er. Offiziell eingetragen ist sein Verein - der CSD Dre(h)sden - noch nicht. Aber schon jetzt zählt er 500 Voranmeldungen, damit wäre das gesetzliche Maximum erreicht, mehr Mitglieder darf ein Cannabisclub nicht haben.
Will Paulick wirklich mit 500 Mitgliedern starten? Nicht unbedingt, es könnten auch deutlich weniger werden, sagt er. Gerade am Anfang werde er auf Leute setzen, die nicht nur Gras rauchen, sondern engagiert mitarbeiten wollen. Für Mai plant er eine Infoveranstaltung. "Da wird sich herausfiltern, wer dazu bereit ist." Allein die Mitgliedsbeiträge könnten abschreckend wirken: 150 Euro werden für den Beitritt fällig, dazu kommen monatliche Gebühren zwischen 25 und 75 Euro.
Dann wäre da noch die Frage nach dem Sitz des Vereins. So etwas wie ein Clubhaus gibt es bislang nicht. Ideal wäre laut Paulick eine "All-in-One-Lösung", ein Gebäude, in dem der Anbau, die Abgabe von Gras und außerdem Schulungen, Konferenzen und Büroarbeit möglich sind. Im Stadtteil Plauen könnte so ein Sitz entstehen, sagt Paulick. Eine andere Option wäre, die Pflanzen in den Containern von "Buds and Leaves" unterzubringen.
"Buds and Leaves" ist ein von Botanikern gegründetes Start-up in Dresden. Es stellt Container zum Anbau von Cannabis her, um sie an Vereine zu vermieten. Ein sogenannter "Cannatainer", der optisch an einen Bauwagen ohne Fenster erinnert, ist ein geschlossenes System mit moderner Sicherheitstechnik. Darin gedeihen die Pflanzen mithilfe von CO2-Düngung, einem Ozon-Generator für Wasser und Luft sowie Wärmepumpen zum Kühlen und Heizen. Pro Modul sollen monatlich bis zu 3 Kilogramm Ertrag möglich sein.
"Buds and Leaves" bietet den neuen Vereinen auch juristische Unterstützung an. "Wir raten allen: Fangt erst mal langsam an", sagt Geschäftsführer Yannick Wolfsteiner. Viele würden die Arbeit unterschätzen, die auf sie zukommt, wenn sie gleich mit Hunderten Mitgliedern loslegen. "Das ist ein Unternehmen, was man da leitet", warnt Wolfsteiner.
In Dresden ist "Buds and Leaves" unter anderem mit Alexis Flach und Martin Reuter im Gespräch. Flach ist Filialleiter des Sanaleo-CBD-Shops am Postplatz, Reuter ist Geschäftsführer von Saneleo in Dresden. Die beiden sind gerade dabei, einen Cannabisclub aufzubauen, er heißt: "High Society". Trotz ihrer Freude über das neue Gesetz zeigen sie sich vorsichtig, wenn sie über ihre Pläne für den Club reden. "Wir müssen das ordentlich machen", sagt Reuter. "In zehn Jahren wollen wir auch noch da sein."
Bei der "High Society" fangen sie klein an, mit 50 Mitgliedern. Wer mitmachen will, zahlt monatlich 250 Euro. Damit alles korrekt läuft, haben Reuter und Flach früh mit den Behörden Kontakt aufgenommen. Was bis jetzt aber - wegen unklarer Zuständigkeiten - gar nicht so leicht war. "Man telefoniert sich das Ohr wund", sagt Reuter.
In ihrem Club, das betonen sie immer wieder, soll es nicht nur um Spaß und Entspannung gehen, sondern auch um Aufklärung und Prävention. "Es ist extrem wichtig, die Leute zu sensibilisieren." Zum einen in puncto Dosierung: Es müsse nicht gleich Gras mit 30 Prozent THC sein, sagt Flach. 15 Prozent des Hauptwirkstoffs könnten auch genügen.
Zum anderen - und bei dem Thema kommt er wirklich in Fahrt - will Flach über die oft mangelnde Qualität von Cannabis aufklären. Das neue Gesetz sei nicht perfekt, aber immerhin hätten Clubmitglieder bald die Möglichkeit, legal an ungestrecktes Gras zu kommen. Ganz anders als auf dem Schwarzmarkt: Wer sein Zeug in Dresden auf der Straße kauft, müsse in 70 bis 80 Prozent der Fälle damit rechnen, dass die Ware mit synthetischen Stoffen behandelt wurde.
Ein Problem, zu dem auch Ramon Paulick viel sagen kann. Weil er mit seinen Freunden schlechtes Gras geraucht hatte, endete gleich sein erster Rausch im Krankenhaus. "Ich habe gefroren, mir war schlecht, ich habe ab und zu gekotzt und war regungsunfähig", erzählt er. Für ihn war das der Anlass, sich genauer mit der Droge zu beschäftigen. Er las Texte über den chemischen Aufbau, über Anbautechnologien, er besorgte sich ein Mikroskop und wurde in der Szene zu einem Untergrund-Experten, wenn es um das Aufspüren unreiner Stoffe ging.
Das Kiffen machte ihn happy und zufrieden. Sein Hobby führte aber auch zu einer Razzia, bei der Polizisten etliche Pflanzen aus seiner Wohnung trugen. Nur weil er so jung war, kam er dafür nicht ins Gefängnis. Heute raucht er seinen ersten Joint kurz nach dem Frühstück. Dass er abhängig ist, lässt sich kaum leugnen, er spricht aber von einer "Sucht nach der Normalität".
Paulick ist überzeugt: Würde er nicht kiffen, wäre er seiner ADHS-Erkrankung ausgeliefert. Dann könnte er sich nicht auf seine Arbeit als Verkäufer konzentrieren, er würde wild von Aufgabe zu Aufgabe springen. "Das wäre der nüchterne Zustand bei mir", sagt er. Dank des Vereins hat Paulick nun ein klares Ziel vor Augen, er könnte sich vorstellen, irgendwann in einem Unternehmen zu arbeiten, das in der Cannabis-Branche Geld verdient.
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Was ihn kaum freuen dürfte: Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass die Bundesregierung offenbar plant, das Cannabisgesetz zu verschärfen. Unter anderem könnte die Genehmigung von Anbauflächen schwieriger werden. Bei der "High Society" in Dresden blickt man mit Sorge auf diese Entwicklung. "Es bleibt spannend", sagt Alexis Flach.