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Kommentar zur Rettung des Schütz-Konservatoriums: Wahlkampf ohne finanzielle Grundlage

Kommentar zur Rettung des Schütz-Konservatoriums: Wahlkampf ohne finanzielle Grundlage

Source: DNN - Dresdner Neueste Nachrichten
Author: Dirk Birgel

Dresden. Auf den ersten Blick hat das Städtchen Herrenberg, nordwestlich von Tübingen gelegen und umgeben von viel Grün und Natur, Wäldern und Streuobstwiesen, nicht viel mit Dresden zu tun. Eine Klavierlehrerin aus dem 30 000-Seelen-Städtchen hat das geändert. Sie war bisher auf Honorarbasis beschäftigt und hat auf Festanstellung geklagt. Und zwar erfolgreich. Das Urteil des Bundessozialgerichts wiederum hat Auswirkungen auch auf Dresden.

Die Situation der Herrenberger Klavierlehrerin ist nämlich 1:1 übertragbar auf die meisten Honorarkräfte des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden (HSKD), auch dort sind die meisten Lehrkräfte wohl als scheinselbstständig anzusehen. Nun kann man fragen, warum ein jahrzehntelang erprobtes und erfolgreiches Modell in Frage gestellt werden muss. Aber höchstrichterliche Rechtsprechung kann man schlicht nicht ignorieren.

Für das HSKD bedeutet das: 1520 Unterrichtsstunden pro Woche müssten künftig von Festangestellten gegeben werden. Zu teuer, sagt die Stadt und will statt der benötigten 50 Stellen nur 30 Stellen umwidmen. 600 Stunden Unterricht fielen demnach weg. Das wäre nicht schön und löste allenthalben Empörung aus, aber das Geld sprudelt in Dresden bekanntlich nicht in Form von Erdöl aus dem Boden.

Aber es gibt für das HSKD einen Silberstreif am Horizont: die Kommunalwahl am 9. Juni. Da möchte niemand sechs Wochen vorher Minuspunkte sammeln. Also beschloss der Kulturausschuss am Dienstag einen Rettungsplan. Die Stadt als Träger solle alle 50 Stellen ausschreiben und besetzen. Woher das Geld dafür kommen soll, blieb offen. Man hofft auf Steuermehreinnahmen. Kann man machen - oder Lotto spielen.

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Unklar ist ebenso, wer sich denn nun die Rettungsmedaille ans Revers heften darf. Das wollen alle Parteien tun. Der Erfolg hat viele Väter, besonders in Wahlkampfzeiten. Aber es wäre verfehlt, die gute Absicht als blanken Populismus abzutun. Das HSKD leistet Großartiges. Die Stadt kann stolz sein, ihrem musischen Nachwuchs ein solches Angebot unterbreiten zu können. Aber über eine seriöse Finanzierung dürfen die Wahlkämpfer gerne noch einmal gründlich nachdenken.